Unbekannt


Skizzenblatt mit Kapitellen und Friesen, aus dem Codex Fol. A 45, Ende 15. Jh.

Feder in Braun auf Pergament, 23,6 x 17 cm

Unter dem oberen Fries mit brauner Feder bez.: questo friso sie fora del domo / di Verona; mittig zwischen den beiden Kapitellen: in San Zeno in Verona; über dem unteren Fries: questo friso sie Amontorio suso una sepoltura / Apresso Verona; mittig zwischen den beiden Kapitellen parallel zur rechten Blattkante von der Hand J. P. Romans: Cette Feuille paroit de Raphael Durbin PIR; oben links unterhalb des Frieses parallel zur linken Blattkante von Roman jun.: 100; oben links parallel zur linken Blattkante: 66; oben links unterhalb des Frieses mit braunem Stift: N° 47 und parallel zur linken Blattkante mit rotem Stift: 64

Provenienz:

Pieter Jacobsz. Roman; Wilhelm VIII. Landgraf von Hessen-Kassel

GS 9638, fol. 64

Literatur:

Schweikhart 1977, S. 13, 24, Anm. 14, 42, 43, Abb. 133, 134; Günther 1983, S. 48; Günther 1988, S. 356, 359, 361; Kat. Verona 2006/2007, S. 434–436, Nr. 169, Abb. 169a–b

Die Zeichnung auf Pergament, die wie die beiden Kopien nach Vasari (GS 9628 und GS 9629) aus dem sog. Codex Fol. A 45, einem Sammelband mit Architekturvorlagen überwiegend des 16. Jahrhunderts, stammt[1] und von Gunter Schweikhart ins späte 15. Jahrhundert datiert wurde, ist ein wichtiges Zeugnis für das früh erwachte Interesse an der antiken Architektur Veronas. Von ihrem Aufbau her, der nüchternen Reihung der vorgestellten Architekturstücke und ihrer sachlich detailgetreuen Dokumentation gehört die Zeichnung in die Tradition zeitgenössischer Musterbücher.[2] In jeweils drei Reihen übereinander werden auf Vorder- und Rückseite verschiedene Kapitelle und Akanthusfriese vorgestellt. Auf dem Rekto sind die dargestellten Stücke mit Beischriften versehen, die ihren zeitgenössischen Aufbewahrungsort benennen und dadurch ihre Identifizierung erleichtern. Auf dem Verso fehlen derartige Bezeichnungen.

Bislang kann nur der obere Akanthusfries der Vorderseite eindeutig mit seiner antiken Vorlage in Verbindung gebracht werden, einem römischen Pilaster, der sich ehemals im Veroneser Dom befand und heute im Museo Maffeiano verwahrt wird.[3] Auf die Wiedergabe des Rahmens verzichtete der Zeichner, um sich ganz auf den Akanthusfries konzentrieren zu können. Der Pilaster wurde mehrfach auch von anderen Zeichnern[4] und in Druckschriften wie den 1560 erschienenen „Le antichità di Verona“ von Giovanni Caroto[5] wiedergegeben.

Größere Schwierigkeiten bereitet die Identifikation der beiden Kapitelle und des unteren Frieses. Bei dem linken Kapitell ist die Beischrift so stark beschnitten, daß sie nicht entziffert werden kann. Auch spricht der Engelskopf auf dem Abakus dafür, daß es sich nicht um ein römisches, sondern um ein Kapitell aus der Renaissance handelt. Das rechte, laut Beischrift aus S. Zeno stammende Kapitell weist zwar Ähnlichkeiten mit einem korinthischen Exemplar aus der 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. auf, das das Weihwasserbecken trägt[6], eindeutig kann es jedoch nicht damit identifiziert werden. Vergleichbare Kapitelle finden sich auch in den „Antichità“ von Giovanni Caroto. Trotz seiner detaillierten Beischrift kann auch der untere Fries nicht identifiziert werden. Die Vorlagen der rückseitigen unbezeichneten Stücke stammen nur zum Teil aus der Antike.

Die Annotationen zeigen Charakteristika des Veroneser Dialekts[7] und sprechen deshalb dafür, dass der Zeichner aus der Stadt selbst oder aus ihrer Umgebung stammte. In Verona setzte bereits im Trecento eine intensive Auseinandersetzung mit den in der Stadt allgegenwärtigen antiken Monumenten ein. Im Quattrocento nahmen Künstler wie Mantegna architektonische Versatzstücke aus der Antike in ihre Gemälde auf, die ihnen nicht nur durch das Studium der Originale, sondern auch durch zeichnerische Kopien und Musterbücher geläufig waren. Möglicherweise war die Kasseler Zeichnung ehemals Teil einer Vorlagensammlung oder eines Musterbuchs. Dafür spricht neben dem Aufbau der Zeichnung auch der Bildträger, das Pergament, das in dieser Zeit vor allem noch für Skizzenbücher benutzt wurde.[8]

[1] Das Blatt war am unteren Blattrand auf dem Falz in das Buch eingeklebt. Die Paginierungen entstanden im Zusammenhang mit dem Codex. Dagegen scheint es sich bei der Bezeichnung „No. 47“ um eine alte Sammlungsnummer zu handeln, die vor der Einbindung in den Codex datiert. Die Numerierung der Kapitelle erfolgte durch Jakob Pietersz. Roman (vgl. dazu Günther 1988, S. 316).

[2] Vgl. etwa Degenhart/Schmitt 1968, Nr. 435; Nesselrath 1986.

[3] 510 x 94 cm, Verona, Museo Maffeiano, Inv. Nr. 28146 (Kat. Verona 2006/2007, Nr. 168 mit Abb.).

[4] Giovanni Caroto hat den Pilaster gleichfalls ohne Rahmen festgehalten (Verona, Biblioteca Civica, Ms. 978, fol. 95; Schweikhart 1977, S. 42, Abb. 135), Antonio da Sangallo gibt ihn mit Rahmen wieder (Florenz, Uffizien, Inv. Nr. A 815; ebd. S. 42, Abb. 125).

[5] Schweikhart 1977, S. 42, Taf. XXXIV.

[6] Vgl. dazu Franzoni 1986, S. XXVIII mit Abb.

[7] Schweikhart 1977, S. 24, Anm. 14.; Kat. Verona 2006/2007, S. 435.

[8] Meder 1919, S. 168.

Veröffentlicht am 10.09.2008

Letzte Aktualisierung am 15.08.2012

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Rückseite GS 9638, fol. 64

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