Bernardo Castello zugeschrieben

(Genua um 1557 – Genua 1629)

Anbetung der Hirten, um 1600

Schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert auf Papier, kaschiert, 21,1 x 28,4 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17076

Literatur:

unpubliziert

Die auf den Umriss konzentrierte Zeichnung, die dem Genueser Maler Bernardo Castello zugeschrieben ist, zeigt in einer ausgeglichenen, annähernd symmetrisch aufgebauten Komposition die Anbetung der Hirten. Im Zentrum des Querformats ruht das Christuskind auf einem Strohballen. Vor ihm kniet rechts Maria, die mit ihrer rechten Hand das Leintuch emporhält, auf dem das Kind liegt. Links ist einer der Hirten herbeigeeilt. Er hat seinen Hut abgenommen und kniet gerade vor dem Kind nieder. Betende Engel, weitere Hirten sowie Joseph erweitern die Szene. Im Hintergrund ist mit wenigen Linien eine Architektur angedeutet. Die braune Lavierung konzentriert sich auf die Figuren im Vordergrund.

Aus der ausgesprochen produktiven Werkstatt von Bernardo Castello, die vor allem in Ligurien für etliche Kirchen und Profanbauten Altarbilder oder Fresken ausführte, sind mehrfach Darstellungen der Anbetung der Hirten hervorgegangen. Das Werkverzeichnis der Gemälde Castellos erwähnt allein sieben Altarbilder zu diesem Thema.[1] Trotz genereller Übereinstimmungen im kompositionellen Aufbau kann die Kasseler Entwurfszeichnung nicht mit diesen Altarbildern in Verbindung gebracht werden.[2] Die Anbetung des Marienzyklus im Santuario Nostra Signora di Misericordia bei Savona, den Castello ab 1610 ausführte und zu dem sich mehrere sorgfältig ausgeführte Ausführungsentwürfe erhalten haben, zeigt zwar ebenfalls das Bemühen um einen symmetrischen Aufbau der Komposition mit der zentralen Anordnung des Christuskindes sowie eine ähnlich verschachtelte Gebäudegruppe im Hintergrund, weicht aber in der Disposition der Figuren deutlich ab.[3] Ob die Zeichnung mit anderen Fresken von Castello in Verbindung zu bringen ist, müsste noch kontrolliert werden.[4]

Anders als bei den bildmäßig ausgearbeiteten Ausführungsentwürfen von Castello mit ihren sorgfältigen Lavierungen und Weißhöhungen auf farbigen Papieren hat sich der Zeichner des Kasseler Blattes ganz auf die Linie und den Kontur konzentriert.[5] Mit langen, geschwungenen, stellenweise versetzt nachgezogenen Federstrichen gibt er die Umrisse der Figuren und die Falten ihrer Gewänder wieder. Gesichter, Füße und Hände erscheinen in charakteristischen Abbreviaturen, wie sie auch auf den Zeichnungen Castellos begegnen.[6] Federzeichnungen, die sich auf den Umriss konzentrieren, sind im Oeuvre Castellos keine Seltenheit. Wie bei einigen Beispielen aus einem Sammelband mit Szenen aus dem Leben Mariae und Christi im Palazzo Rosso in Genua[7] wirkt deren Linienführung jedoch häufig akkurater als in der Kasseler Zeichnung. Ihr lockerer Strich ist am ehesten mit den wenigen schnell hingeworfenen Skizzen Castello zu vergleichen, etwa einem Entwurf zu Tassos „La Gerusalemme liberata“ im Louvre.[8] Das Blatt wird deshalb möglicherweise eher dem Genueser Umfeld von Castello zuzuschreiben sein als dem Meister selbst.

[1] Erbentraut 1989, Nr. 12–18.

[2] Die Zuschreibung des Blattes an Castello hat Jonathan Bober, Austin, freundlicherweise bestätigt.

[3] Zu dem Marienzyklus vgl. Natale/Natale 1985; Thiem 1991.

[4] Mehrere Fresken mit der „Anbetung der Hirten“ erwähnt Mary Newcome Schleier in: Kat. Frankfurt a. M. 1992, Nr. 4.

[5] Zum zeichnerischen Werk Castellos vgl. Newcome 1979.

[6] Vgl. etwa Laban vor Rahel, schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert, 21,4 x 30,9 cm, London, Courtauld Institute of Art Gallery, Inv. Nr. D. 1952. RW.162.

[7] Zu dem Band vgl. Bora 1980, S. 88, Abb. 104; Boccardo 1999, S. 27, Taf. XIV.

[8] Rinaldo im Kampf mit dem Drachen, Feder in Braun, grau laviert, 19,7 x 25,3 cm, Paris, Musée du Louvre, Inv. Nr. 9433.

Veröffentlicht am 11.09.2008

Letzte Aktualisierung am 10.03.2009