Giovanni Contarini zugeschrieben

(Venedig 1549 – vor 1604)

Ceres-Opfer der Athenerinnen, um 1590

Feder in Braun auf Papier, 19 x 17,4 cm

Rechts unter der Darstellung mit brauner Feder bez.: Primo sacrificio che andava / á visitar la amanta di imineo; rückseitig: Dopo eser Stato promisa / per Sposa del imineo / Retorno Com grand pompa

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 18209

Literatur:

Auktionskat. Galerie Gerda Bassenge 2.–7.11.1970, Nr. 89

Die kleinformatige Skizze mit der zunächst rätselhaften Aufschrift gehört zu den wenigen Blättern der Sammlung Erich Herzog, von denen bekannt ist, wo und wann der Sammler sie erworben hat: Im November 1970 wurde die Federzeichnung bei Bassenge in Berlin auktioniert. Der Auktionskatalog beschreibt sie als „Ceres-Opfer der Athenerinnen“ und weist sie dem Venezianer Giovanni Contarini zu, der zwischen 1579 und ca. 1590 in Prag und Innsbruck für Rudolf II und Erzherzog Ferdinand tätig war und danach in seiner Heimatstadt zu Ansehen kam.[1]

Worauf die Zuschreibung an Contarini beruht, ist heute nicht mehr auszumachen. Da es sich um einen eher entlegenen Künstler handelt, dessen zeichnerisches Oeuvre so schmal ist, dass stilkritische Zuschreibungen kaum möglich erscheinen, kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Attribution alt ist.

Von Contarini hat sich nur eine einzige Zeichnung in Berlin erhalten, die mit Sicherheit von seiner Hand stammt, auch wenn selbst dieses Blatt nicht ohne Widerspruch blieb: ein rasch ausgeführter Entwurf für die „Eroberung Veronas“, die er um 1595 für den Palazzo Ducale in Venedig ausführte.[2] Darüber hinaus gibt es einige wenige Blätter mit tradierten Zuschreibungen etwa aus der Sammlung Sebastiano Restas. Darum herum wurden weitere Zeichnungen nach stilkritischen Kriterien gruppiert. Insgesamt ergibt sich jedoch nach wie vor ein sehr lückenhaftes und disparates Bild des Zeichners Contarini.

Stilistisch lässt sich die Kasseler Zeichnung durchaus mit dem Berliner Entwurf in Einklang bringen. Beide Blätter sind in demselben raschen Zeichenmodus ausgeführt, die Schraffierungen, die Abbreviaturen und die Körperauffassung ähneln sich, so dass meines Erachtens vorerst an der alten Zuschreibung festgehalten werden kann.

Doch was hat der Zeichner überhaupt dargestellt? Wie es der Titel des Auktionskataloges beschreibt, handelt es sich um eine Opferszene. Im Hintergrund erkennt der Betrachter eine Götterfigur unter einem Baldachin, auf die sich ein Zug von Menschen mit allerlei Opfergaben in Säcken, Schalen und Gefäßen zu bewegt.

Näher bestimmen lässt sich die Darstellung erst durch die Aufschlüsselung der fünfzeiligen Inschrift auf der Vorder- und Rückseite des Blattes. Sie bezieht sich auf den Gott der Hochzeit, Hymenaeus, der sich hinter der Verballhornung „imineus“ verbirgt.[3] Der Legende nach soll ihm die Hochzeit mit der Geliebten verweigert worden sein. Erst nachdem er mehrere entführte attische Mädchen, unter denen sich auch seine Geliebte befand, befreien konnte, durfte er sie heiraten. Wie es der Fünfzeiler beschreibt, ist hier das Opfer dargestellt, dass die Geliebte des Hymenaeus gemeinsam mit ihren Gefährtinnen nach ihrer Befreiung den Göttern darbrachte.

Für welchen Zweck der Entwurf gedacht war, darüber kann nur spekuliert werden. In den wenigen Quellen, die Auskunft zur Tätigkeit von Contarini geben, ist kein Auftrag erwähnt, der mit dieser Zeichnung verbunden werden kann. Vom Thema her könnte es sich um einen Entwurf für ein Hochzeitszimmer oder eine ephemere Dekoration anlässlich einer Vermählung handeln. In derartigen thematischen Zusammenhängen taucht Hymenaeus regelmäßig auf.[4] Ein Vergleichsbeispiel für diese Szene ist mir bislang jedoch nicht bekannt. Die Platzierung der Darstellung auf der linken Blattseite, ihre Umrandung und die Kombination mit einem Text könnten auch dafür sprechen, dass es sich um einen Entwurf für eine Buchillustration handelt.

[1] Auktionskat. Galerie Gerda Bassenge 2.–7.11.1970, Nr. 89. Herzog hat das Blatt aus unbekannten Gründen Andrea Schiavone zugeschrieben.

[2] Feder in Braun, 19,2 x 27,2 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 624 (Bristot 1980, S. 71, Abb. 39). Eine Zusammenfassung des Forschungsstandes zu den Zeichnungen Contarinis bietet Zimmer 1988, S. 315–317.

[3] Zu Hymenaeus vgl. Reid 1993, S. 583.

[4] Erinnert sei etwa an die „Anrufung des Hymenaeus“ von Veronese in der Stanza del Tribunale d’Amore der Villa Barbaro in Maser (Puttfarken 1980) oder an die Entwürfe von Bronzino für die Dekoration der Hochzeit von Francesco I. de’ Medici mit Johanna von Österreich 1565 (McCorquodale 1981, S. 145).

Veröffentlicht am 08.01.2008

Letzte Aktualisierung am 31.03.2009

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Rückseite GS 18209

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