Umkreis Giovanni Francesco Barbieri, gen. il Guercino

(Cento 1591 – Bologna 1666)

David mit dem Haupt Goliaths, nach 1650

Rötel auf Papier, 19 x 14,8 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17073

Literatur:

Auktionskat. Gerd Rosen Auktionen 1961, Nr. 429 mit Abb. (als Guido Reni); Weltkunst 1961 (als Guido Reni), Abb. S. 20

Zu Beginn des Seicento entstand in der Ikonographie Davids ein neuer Typus. Während vordem vor allem der Moment dargestellt wurde, in dem der jugendliche Held seinem Gegner den Kopf abschlägt oder aber in Siegespose seinen Fuß auf dessen Schädel setzt, betrachtet er nun nachdenklich das abgeschlagene Haupt Goliaths.[1] Das berühmte Gemälde Guido Renis (1575–1642) im Louvre[2] von 1605/06 etwa zeigt David als Ganzfigur neben einem steinernen Sockel mit dem Haupt Goliaths, dessen Haar der Junge mit seiner Linken gepackt hat. Sinnierend ruht der Blick Davids auf seiner Trophäe. Mit seiner modischen Kappe und dem elegant über eine Schulter und eine Brust geworfenen Fell, das seine Nacktheit eher betont als verbirgt, wird der Held in derartigen Darstellungen als Inbegriff jugendlicher Schönheit und Erotik dem abstoßenden Schädel gegenübergestellt.

Die vorliegende Rötelzeichnung, die diesem neu entwickelten ikonographischen Typus zuzurechnen ist, wurde 1961 im Kunsthandel als Guido Reni angeboten und vermutlich zu dieser Zeit von Erich Herzog erworben, der sie aber Simone Cantarini (1612–1648) zuschrieb. Jonathan Bober, Austin, verdanke ich den mündlichen Hinweis, dass der Zeichner eher mit Cesare Gennari (1637–1688) zu identifizieren sei.[3] Diese Auffassung hat Nicolas Turner bestätigt.[4] Seiner Meinung nach müsste jedoch noch genauer geprüft werden, ob es sich nicht doch um ein spätes Werk von Guercino selbst aus den 1650er Jahren handelt. Dafür spräche etwa die locker ausgeführte Draperie des Umhangs von Goliath.

Ikonographisch ist die Darstellung insofern ungewöhnlich, als David üblicherweise das Haupt Goliaths überragt, während hier beide Köpfe auf einer Höhe angeordnet wurden. Der große Kopf Goliaths wurde räumlich zudem noch vor dem kleineren seines Kontrahenten platziert. Diese räumliche Anordnung der Köpfe hat zur Folge, dass das Haupt des Besiegten präsenter ist als der jugendliche Held. Sucht man im Umfeld Guercinos nach Parallelen für diese Anordnung der Köpfe, so stößt man auf eine Darstellung des Triumphes von David in Burghley House in Stamford[5], bei der David den Kopf Goliaths vor sich in die Höhe hält, sich aber von dem Kopf weg zu den Frauen wendet, die neben ihm musizieren. Möglicherweise hat der Zeichner des Blattes sich an derartigen Vorbildern orientiert.

Die Disposition der Figuren vermag jedoch nicht in allen Partien zu überzeugen: So wird der Arm Davids zwar deutlich von Goliath überschnitten, sein Unterkörper scheint jedoch vor dem Sockel zu stehen. Der Betrachter erhält dadurch den Eindruck, der Zeichner habe zwei einzelne Bildelemente studiert und sie eher unvermittelt nebeneinandergestellt.

[1] Lang 2001, S. 135; Pepper 2002, S. 430.

[2] Pepper 1984, Nr. 19, Abb. 19.

[3] Mündliche Mitteilung, 2007.

[4] E-Mail vom 22.08.2008.

[5] Salerno 1988, Nr. 166 mit Abb.

Veröffentlicht am 20.01.2009

Letzte Aktualisierung am 10.02.2009