Giacomo Cavedone zugeschrieben

(Sassuolo/Modena 1577 – Bologna 1660)

Betende Hände, um 1640

Graue Kreide auf braunem Papier, modern kaschiert, 25 x 18,2 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17079

Literatur:

unpubliziert

Giacome Cavedone hat seine Gemälde akribisch durch Zeichnungen vorbereitet. Zunächst erfasste er in der Regel die Gesamtkomposition mit der Feder. Anschließend widmete er sich den Details, indem er Studien in schwarzer Kreide zu den Draperien einzelner Figuren sowie nach dem lebenden Modell zu Köpfen, Händen und Füßen anfertigte.

Bereits Malvasia hob hervor, Cavedone habe „un particolar studio di mani, piedi e teste precise“[1] betrieben. Ihm zugeschriebene Detailstudien finden sich in vielen Sammlungen. So werden allein in Windsor Castle über 60 Kopfstudien verwahrt, die zum überwiegenden Teil aus einem Sammelband „Teste di Cavedone“ stammen.[2] Weitere Beispiele finden sich etwa im Rijksprentenkabinett in Amsterdam[3] oder als Teil der Sammlung Fachsenfeld in der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart[4].

Die Kasseler Zeichnung eines zum Gebet zusammengelegten, nahezu in Lebensgröße erfassten Händepaares auf braunem Papier kann als typisches Beispiel für die Detailstudien Cavedones dienen.[5] Charakteristisch sind die kräftigen, mehrfach und zum Teil versetzt nachgezogenen Konturen, die rasch ausgeführten engen Zickzackschraffuren am Ärmel und die plastische Modellierung der Hände mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten.[6] Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Zeichnungen verzichtete Cavedone hier auf zusätzliche Lichtakzente durch Weißhöhungen. An den hellsten Partien scheint der braune, unbearbeitete Papierton hervor.[7] Die Sparsamkeit der zeichnerischen Mittel und die ausgeprägten Beleuchtungskontraste verleihen der Studie eine große Präsenz.

Während viele der Detailstudien Cavedones eindeutig mit einem ausgeführten Gemälde verbunden werden können, ist das bei der Kasseler Zeichnung bislang nicht gelungen. Zwar tauchen vergleichbare Händepaare in mehreren Gemälden Cavedones auf, so bei dem hl. Petronius in der berühmten „Madonna mit Kind in der Glorie“[8] von 1614. Dort sind die Hände jedoch in strenger Frontalansicht dargestellt. Bei der „Rückkehr des verlorenen Sohnes“[9] aus den 30er Jahren stimmt dagegen die Haltung der Hände überein, aber nicht das Gewand. Der steife Stoff des Ärmels mit der abgesetzten Krempe und einem dünneren Untergewand spricht dafür, dass die Hände der Kasseler Zeichnung zu einem Diakon gehörten, der mit seiner liturgischen Kleidung, mit Albe und Dalmatik, bekleidet war.

[1] Malvasia 1678, Bd. 2, S. 143.

[2] Kurz 1955, S. 5, Nr. 72–135.

[3] Frerichs 1972, Abb. 4, 9.

[4] Kat. Stuttgart 1967, Nr. 33.

[5] Die Zuschreibung des Blattes an Cavedone hat Jonathan Bober, Austin, freundlicherweise bestätigt.

[6] Zum Zeichenstil Cavedones vgl. Giles 1984.

[7] Die rötliche Verfärbung des Papiers in der linken unteren Ecke lässt sich auf einen Schaden zurückführen.

[8] Bologna, Pinacoteca Nazionale, Inv. Nr. 465 (Negro/Roio 2001, Nr. 43).

[9] Bologna, Opera Pia dei Poveri Vergognosi (Negro/Roio 2001, Nr. 108).

Veröffentlicht am 06.09.2008

Letzte Aktualisierung am 10.02.2009