Carlo Maratti

(Camerino 1625 – Rom 1713)

Hl. Katharina von Siena, um 1700

Rötel auf Papier, 22,6 x 12,3 cm (untere und obere Ecke angestückt)

Links unterhalb der ersten Figur mit brauner Feder bez.: C. Maratta

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17083

Literatur:

unpubliziert

Der römische Malerfürst Carlo Maratti, dem die schnell hingeworfene Rötelskizze zweifelsfrei zugeschrieben werden kann,[1] lieferte in seinen späteren Jahren vereinzelt auch Entwürfe für bildhauerische Arbeiten. So erhielt er 1689 nach dem Tod von Papst Innozenz XI. den Auftrag, dessen Grabmal für St. Peter zu gestalten. Ausgeführt wurde das Grabmahl von Pierre-Etienne Monnot (1657–1733) bis zum Jahr 1701. 1703 beauftragte Papst Clemens XI. Maratti mit Entwürfen für die Apostelfiguren in den Nischen des Langhauses von S. Giovanni in Laterano, die anschließend von verschiedenen Bildhauern umgesetzt wurden. Gerade zu diesem prestigeträchtigen Unternehmen haben sich etliche Entwurfzeichnungen erhalten.[2]

Auch bei der Kasseler Skizze scheint es sich um einen Entwurf für eine bildhauerische Arbeit zu einer Standfigur der hl. Katharina von Siena zu handeln. Mit locker geführtem, nur leicht aufdrückendem Rötelstift hat Maratti die Heilige ein erstes Mal auf dem Blatt skizziert. Trotz der Zartheit dieser Zeichnung ist das Standmotiv deutlich erkennbar: Katharina steht im Kontrapost, das rechte Bein leicht angewinkelt, den Kopf mit der Dornenkrone nach rechts zu dem nur schemenhaft angedeuteten Kreuz geneigt, das sie in ihren Armen hält.[3] Das dünne Gewand umspielt bewegt ihren Körper und lässt seine Konturen erahnen. Die Plinthe, auf der die Figur steht, verdeutlicht unmissverständlich, dass es sich um eine Skulptur handelt.

Nach unten versetzt und leicht vergrößert hat Maratti anschließend die Figur mit sparsam gesetzten, energischeren und kräftigeren Strichen ein zweites Mal erprobt. Da die vordere Figur in einzelnen Partien über die hintere gezeichnet wurde, ist die Reihenfolge, in der sie auf das Papier gebracht wurden, eindeutig ablesbar. Während Maratti bei der zweiten Fassung die Haltung der Figur beibehielt, variierte er den Fluss und die Drapierung des Gewandes. Der flatternde dünne Stoff wurde durch einen schweren ersetzt, der den Körper kaum noch durchscheinen lässt. Den über die Schulter fallenden Mantel rafft die Heilige über der linken Hüfte zusammen.

In welchem Zusammenhang die Kasseler Entwurfszeichnung entstand, ist unklar. Weder konnten bislang andere Zeichnungen zu einer Standfigur der hl. Katharina innerhalb des umfangreichen zeichnerischen Oeuvres von Maratti nachgewiesen werden noch eine ausgeführte Version der Figur.

[1] Für die Bestätigung der Zuschreibung danke ich Ursula Fischer Pace, Rom.

[2] Mehrere Beispiele erwähnt Turner 1999, Nr. 193. Zu anderen Entwürfen von Maratti für Skulpturen vgl. Blunt/Cooke 1960, Nr. 272, 337; Sutherland Harris/Schaar 1967, Nr. 464; Kat. Berlin 1969, Nr. 129.

[3] In dieser Haltung wurde die Heilige häufig dargestellt. Vgl. etwa Bianchi/Giunta 1988, Nr. 71–73.

Veröffentlicht am 08.09.2008

Letzte Aktualisierung am 24.03.2009