Giovanni Angelo Canini

(Rom vermutlich 1606 – Rom 1666)

Martyrium der Heiligen Abdon und Sennon, um 1653

Graphit, Pinsel in Braun, braun laviert, auf oben und rechts angestückeltem Papier, kaschiert, 12,8 x 19,2 cm

Rückseitig oben links nicht lesbare Sammlungsnummer; mittig mit Graphit bez.: Mola

Provenienz:

W. Young Ottley, London (Lugt 2663); Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17084

Literatur:

unpubliziert

Die kleinformatige lavierte Federzeichnung galt ursprünglich als Werk Pier Francesco Molas (1612–1666). Grundlage dieser Zuschreibung wird vor allem das dargestellte Thema gewesen sein, das Martyrium der beiden persischen Heiligen Abdon und Sennen, die bei der diokletianischen Verfolgung zu Tode gekommen sein sollen, zunächst im Coemeterium des Pontian beigesetzt und 826 nach S. Marco in Rom transloziert wurden. Zwischen 1653 und 1659 ließ der venezianische Botschafter Nicolò Sagredo (1606–1676) S. Marco, die Titelkirche der Venezianer in Rom, von Künstlern wie Guglielmo Cortese (1628–1679), Francesco Allegrini (1624–1679), Fabrizio Chiari (um 1615–1695), Canini und Mola unter der Gesamtleitung von Pietro da Cortona (1596–1669) neu dekorieren. Teil dieser Umgestaltung waren Szenen aus dem Leben von Abdon und Sennen auf den Hochschiffwänden. Für das Martyrium der Heiligen erging der Auftrag an Mola. Sein Fresko, zu dem sich eine Entwurfszeichnung in schwarzer Kreide auf braunem Papier in Rom erhalten hat,[1] weicht von der Kasseler Skizze deutlich ab.

Aufgrund ihres Stils mit den charakteristischen in die Länge gezogenen Figuren und ihren eckigen Bewegungen konnte die Kasseler Zeichnung von Ursula Fischer Pace, Rom und Sonja Brink, Düsseldorf, Canini zugeschrieben werden, der häufiger gemeinsam mit Mola an größeren Ausstattungsprojekten tätig war und für S. Marco zwei Szenen schuf, „Abdon und Sennen verweigern die Anbetung der Götzenbilder“ und „S. Marco stimmt dem Kirchenneubau zu“. Warum jedoch setzte sich Canini zeichnerisch mit einem Thema auseinander, mit dem ein anderer beauftragt worden war? Nach Ursula Fischer Pace[2] ist durchaus denkbar, dass verschiedene Künstler um Entwürfe für ein und dasselbe Thema gebeten wurden. Der Auftrag erging dann an denjenigen, dessen Entwurf beim Auftraggeber auf die größte Resonanz stieß.

Im Vergleich zu Molas Fresko hat Canini die Drastik und Brutalität des Geschehen betont: Der eine der beiden Heiligen liegt bereits hilflos am Boden, während ein Scherge mit dem Schwert zum Schlag ausholt und den Wehrlosen gleichzeitig mit Füßen tritt. Den anderen Heiligen reißt ein Kriegsknecht an den Haaren zurück, um ihm das Schwert in den Hals zu rammen. Die Figuren, die Canini mit schwarzem Stift vorzeichnete, umriss er anschließend mit kurzen schnellen Federstrichen. Die braune Lavierung setzt weitere Akzente.

[1] 20,1 x 35,4 cm, Rom, Istituto Nazionale per la Grafica, Inv. Nr. FC 124340 (Kat. Rom 2000, Nr. 40 mit Abb.).

[2] Ursula Fischer Pace: Künstlerische Bindungen, künstlerischer Austausch in Rom um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Mola, Cortese, Canini, Testa und andere, Vortrag gehalten am 13. Juli 2002 anläßlich der Ausstellung „Disegnatore virtuoso. Die Zeichnungen des Pier Francesco Mola und seines Kreises“ in Düsseldorf. Ich danke Ursula Fischer Pace dafür, das sie mir freundlicherweise ihr unpubliziertes Vortragsmanuskript zur Verfügung gestellt hat. Weiter danke ich Sonja Brink, Düsseldorf, für ihre Unterstützung.

Veröffentlicht am 08.09.2008

Letzte Aktualisierung am 10.02.2009