Werkstatt Alessandro Maganza

(Vicenza 1556 – Vicenza nach 1630)

Geißelung Christi, um 1620

Schwarzer Stift, Rötel, Feder in Braun auf Papier, 32,2 x 25,2 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17118

Literatur:

unpubliziert

Vom Stil und von der Technik her ist die Kasseler Zeichnung ein typisches Erzeugnis der Maganza-Werkstatt. Blätter dieser Machart wurden vor allem von den vier Söhnen des Werkstattleiters Alessandro Maganza hergestellt und sind nur selten eindeutig mit einem bestimmten Namen zu verbinden.[1] Wie bei vielen anderen Zeichnungen der Werkstatt konzentriert sich der Zeichner auch hier auf die Hauptpersonen des Geschehens, auf Christus und die beiden Schergen zu seinen Seiten, die er unter Verzicht auf eine Schilderung der Umgebung und auf die Entwicklung von räumlicher Tiefe in der vordersten Bildebene anordnet. Ebenso reduziert ist der Zeichenstil, der sich rigoros auf den Kontur und die wichtigsten Binnenlinien beschränkt, so dass die Körper keinerlei plastische Wirkung entfalten können. Eine gewisse Dynamik erhält die Zeichnung durch die Diskrepanz zwischen der schnell hingeworfenen Vorzeichnung mit schwarzem Stift oder Rötel und den eleganten Federstrichen darüber. Alle Figuren wurden zunächst mit schwarzem Stift angelegt und weichen in der ausgeführten Version geringfügig von dieser Vorzeichnung ab. Besonders deutlich sind diese Abweichungen im Bereich der Füße. Allein der linke Scherge wurde in Rötel noch ein zweites Mal detaillierter vorgezeichnet. Stärker als bei den anderen Figuren wich der Zeichner mit der Feder von dieser Vorzeichnung ab und zog die Figur in die Länge, um die Drastik der Szenerie zu erhöhen. Im Vergleich zu diesem Schergen, der mit seinem erhobenen Arm gerade zum Schlag ausholt, wirkt die gebeugte Gestalt Christi noch schmaler und schutzloser.

Das Thema der Geißelung Christi hat die Maganza-Werkstatt in Gemälden und Zeichnungen immer wieder beschäftigt.[2] Neben sorgfältig ausgearbeiteten und durchdachten Entwürfen mit einem erstaunlichen Aufgebot an Assistenzfiguren in detailliert geschilderten Räumlichkeiten finden sich Varianten, in denen wie bei dem Kasseler Blatt die Erzählung auf das Äußerste reduziert wurde. Dabei scheint die Werkstatt ein einmal gefundenes Figurenrepertoire immer wieder variiert zu haben. Eine lavierte Federzeichnung der Fondazione Miniscalchi Erizzo in Verona zeigt die Geißelung etwa mit zahlreichen Begleitfiguren in einem nur spärlich beleuchteten Innenhof, der rückwärtig von einer offenen Bogenstellung mit einer Treppe abgeschlossen wird.[3] Die sorgfältig ausgeführte Lavierung verstärkt die dichte atmosphärische Wirkung der spärlich beleuchteten nächtlichen Szene, von der unser Zeichner den rechten sowie in leicht gedrehter Haltung auch den linken Schergen übernommen zu haben scheint, während seine Christusgestalt in der Haltung mit einem Tafelbild übereinstimmt, das sich heute im Museo Civico in Vicenza befindet.[4] Wie es Ornella Matarrese dargestellt hat, scheint dabei der Weg von komplexen figurenreichen Kompositionen, die dem Oberhaupt des Werkstatt oder seinen begabtesten Söhnen zugeordnet werden können, zu einer immer größeren Vereinfachung und Verflachung der einmal entwickelten Darstellungsmuster bei den schwächeren Werkstattmitgliedern zu verlaufen.[5]

[1] Bert W. Meijer, Florenz, hat die Zuschreibung der Zeichnung an die Maganza-Werkstatt freundlicherweise bestätigt und schlägt in einem Schreiben vom 09.06.2006 Vicenzo Maganza als möglichen Autor vor.

[2] Vgl. dazu Matarrese 1996, S. 567.

[3] Matarresse 1996, Nr. 162.

[4] Lucco 1996–1998, Bd. 2, Abb. 851. In einer Geißelung in den Musei Civici in Padua taucht die rechte Figur aus der Kasseler Zeichnung wieder auf, aber viel weniger dynamisch (Lucco 2000–2001, Bd. 1, Abb. 148).

[5] Matarrese 2002, S. 55.

Veröffentlicht am 11.09.2008

Letzte Aktualisierung am 11.09.2008