Eduard Dubois

(Antwerpen 1619 – London 1696)

Studie zu einer Bronzefigur, 2. Hälfte 17. Jh.

Pinsel in Dunkelbraun und Braun, braun laviert, weiß gehöht auf braun getöntem Papier, alt montiert, 10,5 x 14,2 cm

Unten rechts auf dem Auflagekarton mit Graphit bez.: Coll. JBarnard; rückseitig oben mittig mit brauner Feder: H; / f°. 5. N° 7.; rechts parallel zum Rand des Auflagekartons: 3 N' St. 63 [?]; mittig mit Graphit: At Dr. Mead's Sale

Provenienz:

Dr. Richard Mead (1673–1754), London (Lugt 1805); John Barnard (gest. 1784), London (Lugt 1419); Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17157

Literatur:

Kat. Kassel 2000, S. 36, Nr. 10 (als Umkreis Jacopo Tintorettos), Abb. S. 37; Krahn 2002 (als Umkreis von Jacopo Tintoretto), Abb. 3

Das kleinformatige, minuziös ausgeführte Studienblatt zeigt auf rötlichbraun gestrichenem Papier ganz in Brauntönen gehalten einen unbekleideten älteren Mann in ein und derselben Haltung, aber in fünf verschiedenen perspektivischen Ansichten. In einer instabilen Position sitzt die Figur mit einem Tuch um die Hüften und leicht ausgebreiteten Armen auf einem Sockel. Ähnlich wie bei einer anatomischen Studie hat der Zeichner den einzelnen Muskelpartien, den unter der Haut durchscheinenden Knochen und Gelenken viel Aufmerksamkeit gewidmet und sie durch Weißhöhungen plastisch aus dem braunen Grund herausgearbeitet. Dabei verlieh er der kreisförmigen Anordnung der Figuren einen Akzent, indem er bei der fünften Figur rechts unten die Technik wechselte: Statt den Körper malerisch Ton in Ton zu modellieren, konzentrierte er sich jetzt auf die Linie und gab ähnlich wie bei einer Vorzeichnung vor allem die Konturen und wichtigsten Binnenformen mit dunkelbraunen Pinselstrichen an. Plastizität erzeugte er ausschließlich durch Weißhöhungen. Weiter hebt sich diese Figur von den anderen ab, da sie zwar in derselben Haltung, aber im Liegen erscheint.

Bereits Jürgen Lehmann hat vermutet, dass auf dem Studienblatt eine Skulptur aus verschiedenen Blickwinkeln wiedergegeben sei, und verwies dabei auf die Praxis der Tintoretto-Werkstatt, wo häufig nach Skulpturen gezeichnet wurde.[1] Volker Krahn ist es gelungen, die dargestellte Kleinplastik zu identifizieren, die sich in zwei Versionen erhalten hat, als Terrakottamodell in Privatbesitz[2] sowie als Kopie in Bleiguss in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden[3] (Abb. 1).

Über die Zuschreibung der beiden Figuren und ihre inhaltliche Deutung ist die Forschung uneins. Ursula Schlegel hat 1992 das Terrakottamodell aus stilkritischen Überlegungen dem Florentiner Bildhauer Bartolomeo Ammannati (1511–1592) zugewiesen.[4] Da kennzeichnende Attribute fehlen, muss ihrer Meinung nach unklar bleiben, ob es sich um Hiob oder Hieronymus handelt. Volker Krahn dagegen hält das Modell für ein Werk des Widersachers von Ammannati, von Baccio Bandinelli (1493–1560), und stellt eine Verbindung mit einem minuziös ausgearbeiteten Hieronymus aus Wachs her, den Vasari (1562–1625) in der Vita des Bildhauers erwähnt. Dieses Modell, 1512 von Bandinelli angefertigt, „mostrava in su l’ossa i muscoli astenuati e gran parte e de’ nervi e la pelle grinza e secca […]“.[5] Es war, so Vasari weiter, mit so großer Sorgfalt gefertigt, dass Bandinelli sogar bei Leonardo da Vinci (1452–1519) dafür höchstes Lob erntete.

Nach Krahn soll die Identifizierung der beiden Skulpturen mit dem Wachsmodell von Bandinelli durch die Publikation „Serie degli uomini i piu illustri nella Pittura, Scultura e Architettura“ aus dem Jahr 1772 unterstützt werden, wo berichtet wird, dass Gipskopien nach den Skulpturen von Bandinelli nach seinem Tod in jeder Malerwerkstatt benutzt wurden, darunter auch eine Figur des Hiob, wie sie von Vasari beschrieben wurde. Die bekannten Nachzeichnungen der Skulptur belegten, dass sie sehr beliebt war.

Trotz dieser Indizien bleibt der Identifizierungsversuch von Volker Krahn für die Kleinskulptur spekulativ. Dagegen konnte Hugo Chapman, London, kürzlich die Kasseler Nachzeichnung überzeugend dem niederländischen Maler Eduard Dubois zuschreiben.[6] Von Dubois, der mehrere Jahre in Venedig und ab 1680 in London tätig war, sind in Technik wie Stil übereinstimmende Figurenstudien bekannt. Zwei dieser Blätter zeigen darüber hinaus gleichfalls die Figur des Hiob bzw. Hieronymus. Während das Blatt in New York[7] die drei Ansichten auf der linken Blatthälfte der Kasseler Zeichnung wiederholt, diese aber mit anderen kleinformatigeren Figurenstudien kombiniert, zeigt ein Exemplar in Bremer Privatbesitz (Abb. 2)[8] die Skulptur aus vier verschiedenen Blickwinkeln, die regelmäßig über die Blattfläche verteilt sind. Beschränkt sich die New Yorker Zeichnung auf den Oberkörper der Figur, so stellt die Bremer Studie die Skulptur komplett mit Sockel dar. Dieses Blatt zeigt zudem dieselbe Montierung und denselben Typus von Sammlungsnummer auf der Rückseite wie die Kasseler Zeichnung, so dass sie aus ein und demselben Besitz, eventuell dem des englischen Sammlers Dr. Mead, stammen müssen.

Dubois hat demnach nicht nur häufiger Figurenstudien angefertigt, sondern sich mehrfach mit der Kleinskulptur des Hiob beschäftigt, von der sich eine Kopie in seinem Besitz befunden haben wird. Bei Sammlern scheinen diese Studien ausgesprochen beliebt gewesen zu sein. So befindet sich im British Museum noch eine weitere Zeichnung von Dubois, die aufgrund ihrer Montierung und der alten Nummer auf der Rückseite aus derselben Sammlung wie die Blätter in Kassel und Bremen stammen muss.[9]

[1] Kat. Kassel 2000, Nr. 10.

[2] Höhe 76 cm, Bremen, Galerie Neuse (Kat. Duisburg 1994/1995, S. 62 mit Abb.).

[3] Hl. Hieronymus (?), Florenz, 2. Drittel 16. Jahrhundert, Guss 2. Hälfte 17. Jahrhunderts, Blei, Höhe 80 cm, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Inv. Nr. ZV 3628 (Krahn 2002, S. 30f., Abb. 1, 2).

[4] Schlegel 1992.

[5] Vasari 1962–1966 (1568). Bd. 6, S. 21. Vgl. dazu Krahn 2002, S. 30f.

[6] Mündlich im September 2008.

[7] New York, Metropolitan Museum, Inv. Nr. 80-3-299. Das Blatt ist unten links bez.: Dubois (Shaw 1976, S. 359, Abb. 116).

[8] Graphit, Pinsel in Braun, braun laviert, weiß gehöht, 29,7 x 20,9 cm, Bremen, Galerie Neuse (Kat. Duisburg 1994/1995, S. 63 mit Abb.).

[9] Vier Studien eines Schafes und drei eines Eselkopfes, Ölfarben auf rotbraunem Papier, 29,3 x 20,1 cm (Croft-Murray/Hulton 1960, S. 299, Taf. 116). – Die Montierung kann bislang noch keinem Sammler eindeutig zugewiesen werden. Im Auktionskatalog der Sammlung Mead werden zwar Zeichnungen von Dubois erwähnt, es ist aber nicht eindeutig, dass es sich um Eduard handelt (Auktionskat. Dr. Langfort 13.1.1755).

Veröffentlicht am 10.02.2009

Letzte Aktualisierung am 31.03.2009

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Rückseite GS 17157

Abb. 1

Abb. 1

Unbekannt

Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Skulpturensammlung, Inv.Nr. Inv. Nr. ZV 3628

© Skulpturensammlung, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Foto: Hans-Peter Klut)

Veröffentlicht am 16.02.2009

Abb. 2

Abb. 2

Eduard Dubois

Bremen, Galerie Neuse, Inv.Nr. ohne Inv. Nr.

Foto: Paul Rudolf

Veröffentlicht am 10.02.2009

Letzte Aktualisierung am 10.02.2009

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Abb. 1


Abb. 2