Francesco Rosaspina zugeschrieben

(Montescudo bei Rimini 1762 – Bologna 1841)

Hl. Andreas, Ende 18. Jh.

Feder und Pinsel in Braun, braun laviert auf Papier, 16,8 x 11,1 cm (Ecken beschnitten)

Unten rechts auf der Randumklebung mit schwarzer Feder bez.: beautiful

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17347

Literatur:

unpubliziert

Vor der Erfindung der Fotografie bot die Reproduktionsgraphik dem Kunstliebhaber und Sammler die einzige Möglichkeit, über viele Länder zerstreute Kunstwerke jederzeit und an jedem Ort vergegenwärtigen zu können und sich bequem einen Überblick über das Oeuvre bedeutender Künstler zu verschaffen. Wie seine Gemälde und Fresken wurden auch die Zeichnungen von Parmigianino (1503–1540), der von seinen Zeitgenossen als wiedergeborener Raffael gefeiert wurde, bereits zu seinen Lebzeiten als Radierung, Kupferstich oder Holzschnitt vervielfältigt.[1] Während diese frühen druckgraphischen Reproduktionen das jeweilige Kunstwerk in die andere Technik übersetzten, ohne dessen Stil nachahmen zu wollen, wurden im 18. Jahrhundert verfeinerte druckgraphische Verfahren für Faksimiledrucke nach Handzeichnungen entwickelt, die dem Anspruch genügen sollten, diese möglichst authentisch wiederzugeben.[2] In diesem Zusammenhang könnte die vorliegende Pinselzeichnung eines hl. Andreas nach einem heute verlorenen Original von Parmigianino aus der berühmten Handzeichnungssammlung von Thomas Howard, Earl of Arundel (1586–1646), entstanden sein.[3]

Als Teile der Sammlung Arundel 1720 in London verkauft wurden, konnte der venezianische Sammler und Dilettant Antonio Maria Zanetti (1679–1767) 130 Zeichnungen von Parmigianino erwerben, darunter auch einige kleinformatige Aposteldarstellungen wie die Vorlage für das Kasseler Blatt. Zanetti, der an einer Wiederbelebung des Clairobscurschnittes in der Tradition des 16. Jahrhunderts interessiert war, fertigte 1721 nach einigen seiner Neuerwerbungen seitenverkehrte und in den Formen stark vereinfachte Holzschnitte an, so auch von der Originalzeichnung Parmigianinos mit der Darstellung des hl. Andreas. In diesem Zusammenhang schuf er auch Nachzeichnungen, von denen sich zwei mit deutlichen Übertragungsspuren in der Albertina in Wien erhalten haben.[4] Stilistisch sind diese Nachzeichnungen jedoch nicht mit dem Kasseler Blatt in Einklang zu bringen.

Die Clairobscurschnitte von Zanetti waren nicht die einzigen Reproduktionen, die im 18. Jahrhundert nach der verlorenen Zeichnung des hl. Andreas aus der Sammlung Arundel angefertigt wurden. Nach dem Tod von Zanetti 1767 erwarb Dominique Vivant Denon 1787 den hl. Andreas gemeinsam mit ca. 40 anderen Zeichnungen von Parmigianino. 14 davon wurden 1788 von dem in Bologna ausgebildeten und tätigen Reproduktionsstecher Francesco Rosaspina für den Verleger Massimiliano Gini in Radierungen umgesetzt.[5] Die Folge erschien mit folgendem Titel auf dem Frontispiz: „Disegni originali di Francesco Mazzola. Parte della famosa Raccolta del Sig. Conte d’Arondell, ora presso M. de Non“.

Im Gegensatz zu Zanetti bemühte sich Rosaspina um eine möglichst getreue Wiedergabe des Originals und bediente sich dafür der Farbradierung von verschiedenen Platten: Die Federzeichnung konnte als Radierung problemlos reproduziert werden, für die Lavierung wurde Aquatinta als Tonplatte eingesetzt, mit der sich Flächen drucken ließen. Vergleicht man die Kasseler Zeichnung mit der seitenverkehrten und leicht verkleinerten Radierung, so fallen große stilistische Übereinstimmungen auf, die dafür sprechen, dass die Kasseler Zeichnung von Rosaspina als Vorlage für den Stecher im Zusammenhang mit seinen Faksimiledrucken angefertigt wurde.

[1] Vgl. auch im Folgenden Kat. Parma 2003.

[2] Peters 1985, S. 77–83.

[3] Vgl. auch im Folgenden Popham 1971, Bd. 1, S. 32f.

[4] Inv. Nr. 2658 und 2659 (Birke/Kertész 1992–1997, Bd. 3, S. 1489 mit Abb.).

[5] Imolesi Pozzi 2005, S. 16.

Veröffentlicht am 06.09.2008

Letzte Aktualisierung am 14.08.2009