Umkreis Gaetano Gandolfi

(San Matto della Decima bei Bologna 1734 – Bologna 1802)

Grablegung Christi, um 1780

Feder in Braun, graubraun laviert auf Papier, 20,8 x 14,9 cm

Rückseitig mit brauner Feder bez: Missure / [abgeschnittener Text] dalle Statue che si contengano Nella presente / [abgeschnitten] era. / Per essere di diversi carateri le Statue che qui diamo alla Luce, e volendo dar loro sempre la stssa proporzione / nelle misure, abbiamo divisa la testa di ciascuna figura in dodici parti, e da uno di queste parti divisa / in sei ma Risultano i minuti [darunter diverse Notizen und Skizzen]; Per esempio / queste due / parto in grande / si [unleserlich] / i minuti; Domine Deus Rexe
/ Lama / Lonedi mattina essente / Soministrate

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 18215

Literatur:

unpubliziert

Die mit spitzer Feder rasch skizzierte und anschließend großflächig lavierte Darstellung der Grablegung Christi lebt von den starken Hell-Dunkel-Kontrasten und der flackernden Beleuchtung des nächtlichen Geschehens. Dargestellt ist der Moment, in dem der Körper Christi über das offene, in der vordersten Raumschicht befindliche Grab gehoben wird. Fünf Personen halten den Leichnam, der in starker Verkürzung mit dem Kopf zum Betrachter dargestellt ist. Joseph von Arimathia, gleichfalls in Rückenansicht erfasst, hat im Vordergrund den Körper Christi unter den Achseln ergriffen. Der Kopf ruht in seiner Armbeuge.[1] Um die Last besser bewältigen zu können, stützt Joseph das Knie auf dem Grab ab. Auf der anderen Seite des Grabes trägt Nikodemus die Beine des Toten. Drei weitere Personen halten das Leichentuch, auf dem der Körper ruht.

Grablegungen, die den Leichnam Christi von hinten zeigen, so dass der Betrachter sein Gesicht kaum wahrnehmen kann, sind eher ungewöhnlich. Üblicherweise wurde Christus von vorne oder von der Seite präsentiert, um dem Betrachter das Miterleben der Passion zu erleichtern. Hier dagegen scheinen eher die Träger und die Mühe, die sie mit dem schweren Körper haben, im Vordergrund des Interesses zu stehen. Fraglich ist, ob es sich um eine erste Ideenskizze, also um einen Entwurf, handelt oder um ein Ricordo. Das Blatt scheint aus einem Skizzenbuch zu stammen. Dafür sprechen die Ausrissspuren am rechten Blattrand sowie die rückseitigen Bezeichnungen mit Überlegungen zu den Proportionen des menschlichen Körpers sowie anderen, damit nicht in Zusammenhang stehenden Notaten.

Für die Zeichnung lag bislang kein Vorschlag zu einer Zuschreibung oder Lokalisierung vor. Hugo Chapman, London, hat den Zeichner überzeugend dem Umkreis der Gandolfi in Bologna zugeordnet.[2] Gaetano Gandolfi (1734–1802) etwa lieferte mehrfach Entwürfe für Kreuzwegstationen, die in ihren ungewöhnlichen Blickwinkeln, der drastischen Erzählweise und auch stilistisch der Kasseler Skizze durchaus nahekommen.[3] So zeigt etwa ein in der Figurenanordnung gänzlich anderer Entwurf für eine Grablegung, der 1999 bei Sotheby’s auktioniert wurde[4], eine ähnliche, wenn auch freiere Strichführung und eine vergleichbare flächenhafte Lavierung, die ausgeprägte Hell-Dunkel-Kontraste entstehen lässt.

[1] Zur Identifikation der Figuren vgl. Ketelsen 1997, S. 184, Anm. 3.

[2] Mündlicher Hinweis, 2008.

[3] Nach den Quellen war Gaetano Gandolfi an den Kreuzwegzyklen für die Chiesa del Sacro Cuore von Castel Guelfo, für S. Gimignano di Giuglia und für S. Stefano in Bazzano tätig. Biagi Mano 1995, Nr. 257; Bagni 1992, S. 583–586. Es haben sich von Gaetano und Ubaldo Gandolfi zahlreiche Entwurfszeichnungen für Passionsszenen erhalten (Bagni 1992, Nr. 555–561, 715).

[4] Grablegung, schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert, 23,2 x 24,1 cm (Auktionskat. Sotheby’s New York 27.1.1999, Nr. 92). Eine weiter ausgeführte Zeichnung zu demselben Entwurf befindet sich im British Museum (Kat. Ottawa 1993, Nr. 90).

Veröffentlicht am 19.01.2009

Letzte Aktualisierung am 06.02.2009

verso

Rückseite GS 18215

verso