Girolamo Brusaferro zugeschrieben

(Venedig 1677 – Venedig 1745)

Segensgebet des hl. Benedikt über dem vergifteten Weinkelch im Konvent von Vicovaro, um 1740

Schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert, weiß gehöht auf braun getöntem Papier, 23,5 x 31,2 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17066

Literatur:

unpubliziert

Die Zeichnung, die dem venezianischen Maler Girolamo Brusaferro zugeschrieben ist, zeigt eine Szene aus der Vita des hl. Benedikt, wie sie im zweiten Buch der Dialoge Papst Gregors des Großen überliefert wird (Kap. 3,1–4).[1] Nachdem Benedikt mehrere Jahre in der Einsamkeit verbracht hatte, wurde er von den Mönchen des Klosters Vicavoro bei Tivoli gebeten, ihrem verstorbenen Abt nachzufolgen. Seine strengen Regeln stießen aber bei den Mönchen auf solchen Widerstand, dass sie ihm nach dem Leben trachteten und seinen Wein vergifteten. Als Benedikt aber das Segensgebet über den vergifteten Wein sprach, zerbrach der Kelch.

Die Kasseler Zeichnung zeigt im Halbkreis sechs Mönche, die sich um einen Tisch zum Mahl versammelt haben. Dargestellt ist der Moment, in dem sich der hl. Benedikt zum Segensgebet erhoben hat und vor ihm der Kelch mit dem vergifteten Wein zerspringt. Der Hund im Vordergrund scheint den Täter zu verbellen, der aus der Gruppe der Mönche hervorgehoben wird, da er steht und nicht sitzt wie die anderen.

Der Zeichner hat die Komposition zunächst mit schwarzer Kreide auf hellbraun getöntem Papier skizziert und anschließend mit der Feder die Umrisse, die Gesichtszüge und die schweren Falten der Gewänder grob angelegt. Die flächenhaft aufgetragene Lavierung in zwei verschiedenen Braunabstufungen und die abschließend aufgetragenen Weißhöhungen verleihen der Zeichnung Plastizität.

Für Girolamo Brusaferro, dessen malerisches und zeichnerisches Werk 2002 durch Anna Pietropolli erstmals in einer umfassenden Monographie gewürdigt wurde, ist ein Gemälde mit einer Darstellung aus dem Leben des hl. Benedikt für S. Antonio Abbate in Torcello nur dokumentarisch bezeugt.[2] Fraglich ist, ob die Kasseler Zeichnung dieses verlorene Gemälde überliefert. Stilistisch lässt sich das Blatt durchaus mit gesicherten Zeichnungen von Brusaferro in Einklang bringen, etwa mit dem Wiener Entwurf zu einem Altarbild mit einer Darstellung des Todes des hl. Avertin aus dem Jahr 1736 für S. Maria dei Carmini in Venedig in der Albertina.[3]

[1] Für die Identifizierung des Themas danke ich Pater Gregor Lechner, Stift Göttweig.

[2] Pietropolli 2002, Nr. 241.

[3] Kreide, Feder, grau laviert, 33,7 x 28,2 cm, Wien, Albertina, Inv. Nr. 1864 (Birke/Kertész 1992–1997, Bd. 2, Nr. 1864). Bernard Aikema, Venedig, hat die Zuschreibung freundlicherweise bestätigt (Brief vom 10.07.2008).

Veröffentlicht am 11.09.2008

Letzte Aktualisierung am 31.03.2009