Daniele Crespi zugeschrieben

(Busto Arsizio/Varese oder Mailand 1597/1600 – Mailand 1630)

Studie eines knieenden Subdiakons mit Buch in Rückenansicht, vor 1630

Schwarze Kreide auf braun getöntem Papier, 19 x 13,9 cm (unregelmäßig beschnitten)

Rückseitig mit Graphit bez.: Daniele Crespi

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17092

Literatur:

unpubliziert

Die Kreidestudie eines knienden Subdiakons in Rückenansicht überzeugt durch ihre einfache monumentale Formensprache. Mit enggesetzten, schräggeführten Schraffen hat der Zeichner die steif fallende Tunicella des Knienden plastisch modelliert und durch einzelne zarte Weißhöhungen Licht und Schatten auf dem glatten, leicht glänzenden Stoff herausgearbeitet. Der Dargestellte, der ein großformatiges Buch aufgeschlagen vor sich hält, scheint gerade im Begriff zu sein, sich aus dem Knien zu erheben. Während das rechte Bein noch auf dem Boden ruht, hat er das linke bereits angewinkelt auf dem Boden aufgestellt. Durch das labile Bewegungsmotiv kippt die ganze Figur leicht nach rechts, wodurch eine subtile Dynamik entsteht. Diese wird noch unterstützt durch den Manipel, den der Dargestellte über dem linken Arm trägt und der im Gegensatz zu seinen steifen Gewändern leicht zu flattern scheint.

Die Zeichnung weist rückseitig eine Zuschreibung an den Mailänder Maler Daniele Crespi in einer Handschrift des 18. Jahrhunderts auf. Daniele Crespi, ein wichtiger Vertreter des Frühbarock in Norditalien, entwickelte in Auseinandersetzung mit der lombardischen und der emilianischen Tradition eine klare Formensprache und eine einfache Erzählweise. Im Gegensatz zu den meisten seiner lombardischen Malerkollegen bereitete er seine Werke intensiv durch Studien vor.[1] In diesem Fall lässt sich bislang keine Beziehung zu einem ausgeführten Gemälde oder Fresko feststellen, und auch stilistisch steht das Blatt eher vereinzelt im zeichnerischen Oeuvre Crespis da. Am ehesten lässt es sich noch mit einzelnen Figurenstudien in Kreide verbinden, mit denen Crespi seine beiden umfangreichen Freskenzyklen vorbereitete, die er 1628 und 1630 im Auftrag des Kartäuserordens für die Certosa di Garegnano und die Certosa di Pavia anfertigte.[2] Die Studie eines Karthäusermönches für die Gewölbefresken der Certosa di Garegnano in den Uffizien[3] zeigt beispielsweise dasselbe Interesse an einer monumentalisierenden Vereinfachung der Figur und an einer differenzierten Wiedergabe des Lichtes. Wie Giulio Bora festgestellt hat,[4] lässt sich trotz der stilistischen Divergenzen die Figurenerfindung durchaus mit dem Werk von Daniele Crespi verbinden, in dem sich häufig an prominenter Stelle Rückenfiguren finden, die den Betrachter in das Geschehen einbinden.[5]

In der Kasseler Studie ging es dem Maler offensichtlich zunächst darum, die Figur in ihren grundsätzlichen Zügen und vom Gewandmotiv her zu begreifen. Details wie die Kordel mit Quaste, die von der linken Schulter hinunterfällt, oder das Schultertuch deutet der Zeichner dagegen nur äußerst zart an. Teilweise sind diese Einfügungen nur schwer zu deuten, wie die schwachen Linien neben dem linken Arm des Knienden.

[1] Die Zeichnungen, die sich mit ausgeführten Werken in Verbindung bringen lassen, hat Nancy Ward Neilson (1996, S. 79–86) zusammengestellt. Zu den Zeichnungen Crespis vgl. weiter u. a. Bora 1984; Bora 1996; Czére 1999.

[2] Zu den Zyklen vgl. Neilson 1996; Bora 2003.

[3] Schwarze Kreide, weiß gehöht, 32 x 24 cm, Inv. Nr. 803 E (Neilson 1996, Nr. D5, Abb. 76A).

[4] Briefliche Auskunft vom 04.07.2007. Giulio Bora, dem für seine freundlichen Auskünfte gedankt sei, kennt keine stilistisch vergleichbaren Zeichnungen von Crespi, „ma l’invenzione potrebbe senz’altro essere sua“. Er schlägt deshalb vor, es zunächst bei einem „zugeschrieben an Crespi“ zu belassen.

[5] Vgl. etwa Neilson 1996, Abb. 37B, 40B.

Veröffentlicht am 06.09.2008

Letzte Aktualisierung am 10.02.2009