Aniello Falcone zugeschrieben

(Neapel 1607 – Neapel nach 1656)

Kompositionsskizze zu einer Reiterschlacht; rückseitig diverse Figurenstudien, 1630–1650

Schwarze Kreide auf bräunlichem Papier, 24,5 x 33 cm

Provenienz:

Johann-Georg Prinz von Sachsen, Freiburg i. Br.; Herbert List, München; Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 18174

Literatur:

unpubliziert

Schlachtenbilder waren bei fürstlichen wie bürgerlichen Sammlern und Auftraggebern im 17. Jahrhundert ausgesprochen beliebt und wurden von spezialisierten Malern in großer Anzahl hergestellt.[1] Der neapolitanische Maler Aniello Falcone, dem diese rasch, aber sicher auf das Papier gebrachte erste Ideenskizze zu einer Reiterschlacht vor einer antiken Tempelfassade nach Auskunft von Chris Fischer, Kopenhagen,[2] zugeschrieben werden kann, gilt als wichtiger Vertreter dieses Genres und als Begründer des Schlachtenbildes ohne Helden.[3]

Die Kämpfenden mit ihren Rossen ordnete Falcone bei den meisten seiner „battaglie“ wie bei einem Fries in der Vordergrundzone an, ohne einzelne Personen aus dem Gedränge der sich in Dreck und Staub überlagernden Leiber herauszuheben.[4] Hinter dieser Szenerie öffnet sich in der Regel der Blick in eine weite Landschaft, die zuweilen mit architektonischen Versatzstücken versehen ist, die Aufschluss darüber geben, wann und wo die dargestellte Schlacht stattfand. Ein konkretes historisches Ereignis wird in den meisten Schlachtenbildern Falcones nicht wiedergegeben.

In der Kasseler Studie, die bislang nicht mit einem ausgeführten Gemälde verbunden werden kann, legte Falcone zunächst in groben Zügen mit schwarzer Kreide den Aufbau der Gesamtkomposition fest. Da die Zeichnung an beiden Seiten beschnitten wurde, sind ihre ursprünglichen Maße unklar. Am linken Bildrand schließt eine Tempelfassade, die sich über die gesamte Bildhöhe erstreckt, die Darstellung ab, im Hintergrund verstellt rechts ein hoher Berg, eventuell der Vesuv, den Blick in die Tiefe. Diese Motive könnten dafür sprechen, dass die dargestellte Schlacht in römischer Zeit angesiedelt sein soll.[5] Von den Kämpfenden im Vordergrund hat Falcone nur wenige detaillierter ausgearbeitet, etwa den aus dem Sattel fallenden Reiter und sein strauchelndes Pferd links oder den herbeieilenden Kämpfer mit Schwert rechts daneben. Die Masse der Protagonisten wird nur angedeutet. Dieser Wechsel von den mit langgezogenen, kräftigen Kreidestrichen genauer ausgearbeiteten Figuren zu den zart angedeuteten Abbreviaturen von hohem Abstraktionsgrad macht die Lebendigkeit der Zeichnung aus.

Reizvoll sind auch die Skizzen auf der Rückseite, wo Falcone in gleichmäßiger Reihung über das Papier verteilt mehrfach einen Reiter erfasst hat, der mit großer Anspannung und Konzentration gerade seinen Bogen spannt. Nur die Armhaltung des Schützen variiert er jeweils geringfügig. Die Skizzen verdeutlichen, wie genau er jede Einzelne der Figuren seiner Gemälde vorbereitet hat und wie groß sein Interesse war, Bewegungsabläufe überzeugend umzusetzen.

Ähnliche stilistische Merkmale wie die langgezogenen Konturstriche oder das genaue Studium der Bewegungsabläufe finden sich auch auf anderen Zeichnungen Falcones, etwa auf Skizzen des Louvre[6] oder des Berliner Kupferstichkabinetts[7]. Die alte Zuschreibung des Kasseler Blattes an den Schüler Falcones, Salvatore Rosa (1615–1673), vermochte nicht zu überzeugen, da das bevorzugte Zeichenmaterial von Rosa die Feder und der Pinsel waren und nicht die Kreide. Vermutlich beruhte diese Zuschreibung weniger auf stilistischen Kriterien als auf kompositionellen Übereinstimmungen zwischen der Kasseler Zeichnung und der „Heroischen Reiterschlacht“, die Rosa 1652 für Ludwig XIV. anfertigte und die sich heute im Louvre befindet.[8]

[1] Sestieri 2000.

[2] Ich danke Chris Fischer für seine briefliche Auskunft vom 01.08.2007.

[3] Saxl 1939/1940.

[4] Vgl. etwa die „Schlacht zwischen Türken und Christen“, 1621, Paris, Musée du Louvre, Inv. Nr. 275 (Loire 2006, S. 132–135).

[5] Vgl. etwa die "Römische Schlacht", Madrid, Museo del Prado, Inv. Nr. 401 (Kat. Madrid 1970, Nr. 71). Dort verweisen drei Säulen auf den historischen Kontext.

[6] Rötel, 15 x 26 cm, Paris, Musée du Louvre, Inv. Nr. 9620 (Ivanoff 1959, Nr. 88).

[7] Rötel und Aquarell, 12 x 22,5 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv. Nr. 23934 (Vitzthum 1971, S. 89, Abb. 16).

[8] Inv. Nr. 585 (Loire 2006, S. 320–325).

Veröffentlicht am 07.09.2008

Letzte Aktualisierung am 13.08.2009

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Rückseite GS 18174

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