Unbekannt


Opferung Isaaks; rückseitig Strichproben und kleine Figurenstudie, um 1600/10

Feder und Pinsel in Braun, braun und grau laviert, 22,5 x 24,2 cm (Blatt unregelmäßig beschnitten)

Unten rechts mit Graphit bez.: EL

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17096

Literatur:

Kat. Tokyo 1998, Nr. D-6 (als Cigoli); Kat. Kassel 2000, Nr. 12 (als Cigoli)

Die stark beschnittene, aufgrund ihrer freien Ausführung dennoch ausgesprochen reizvolle Entwurfszeichnung zu einer Opferung Isaaks lässt nach wie vor viele Fragen offen. Ehemals war das Blatt dem Florentiner Ludovico Cigoli (1559–1613) zugeschrieben. Die offene, aufgelöste Strichführung und die charakteristischen Abbreviaturen etwa an den Füßen weisen aber eher auf einen venezianischen Künstler zu Beginn des 17. Jahrhunderts hin.[1] Spitz auslaufende Fußformen und vergleichbare elegant geschwungene Konturlinien tauchen etwa im Umkreis der Maganza-Familie wieder auf. Das weite Spektrum der Federstriche, das von äußerst zarten Linien bis zu breiten, kräftig durchgezogenen Konturen reicht, und die lockere, zuweilen krakelige oder dekorativ ausufernde Strichführung finden bei den Maganzas jedoch keine Parallele.

Der Zeichner scheint zunächst die Figur Isaaks mit feinsten, kaum noch sichtbaren Federstrichen angelegt zu haben. An Armen und Beinen gefesselt liegt der Junge auf der Seite, den nackten Körper dem Betrachter zugewandt, auf dem steinernen Opferblock, der parallel zur unteren Blattkante angeordnet wurde. Mit breiten, immer wieder von neuen ansetzenden Pinselstrichen überging der Zeichner anschließend die Figur Isaaks und korrigierte dabei die Haltung des Jungen, dessen linker Arm ursprünglich erheblich steiler nach hinten gebogen sein sollte.

Die liegende Position Isaaks ist eher ungewöhnlich. Üblicherweise kniet der Junge neben seinem Vater. Während es sich bei diesen Darstellungen häufig um schmale Hochformate handelt, ist die Komposition hier in die Breite gezogen, zumal der rettende Engel noch zu ergänzen ist. Das Opfer rückt dadurch in besonderem Maße in den Blickpunkt des Betrachters.

Ikonographisch interessant ist die Korrektur des Kopfes von Isaak, die so weitreichend war, daß der Zeichner eine Klappe einfügen musste. In der ersten Fassung lag das Kinn des Jungen auf der Brust auf, so dass sein Körper insgesamt gebeugter und das Gesicht in starker Verkürzung erschien (Abb. 1). In der zweiten, erheblich drastischeren Fassung zieht Abraham den Kopf Isaaks an den Haaren nach hinten und legt dadurch wie bei einem Schlachtvieh die Kehle zum Schächten nach jüdischem Ritus bloß.[2]

Die Klappe mit der Korrektur beschränkt sich nicht auf den Kopf Isaaks, sondern umfasst auch noch den Unterarm des Vaters, obwohl das Papier darunter blanko ist. Dies spricht dafür, dass die Figur Abrahams erst hinzugefügt wurde, als die Klappe schon aufgeklebt war. Es scheint sich zunächst um einen größeren Papierfetzen gehandelt zu haben, der erst beschnitten wurde, als die Variante fertiggestellt war (Abb. 2, 3). Darauf weisen einige Linien hin, die abrupt am Blattrand enden, also abgeschnitten wurden.

Anders als Isaak wurde Abraham ausschließlich mit der Feder angelegt. Erneut scheint der Zeichner die Figur zunächst in ihren grundsätzlichen Zügen mit einer feinen Feder als Akt durchkonstruiert zu haben. Zarte Striche deuten das Gewand und die Binnenstrukturen des Körpers an. Anschließend wurden vor allem die Konturen mit einer breiten Feder kräftig übergangen und einzelne Akzente an den Knien oder am Bauchnabel gesetzt. Durch die unterschiedliche Technik bei den beiden Figuren wirkt die Zeichnung stilistisch etwas unausgewogen. Besonders gravierend sind die Unterschiede bei den beiden Varianten des Kopfes. Während die erste Variante durch die breiten Pinselstriche eher malerisch wirkt, auch wenn der Zeichner die ovale Kopfform durch ein Konstruktionskreuz betont, erinnert die zweite Variante, in der das Haupt auf seine geometrische Grundform, einen Kegel, zurückgeführt wird, fast an die konstruktive Zeichenweise der Cambiaso-Schule.

[1] Für ihre Einschätzung des Blattes danke ich Hugo Chapman und Simonetta Prosperi Valenti Rodino.

[2] Die Schächtung Isaaks findet sich auch in der zeitgenössischen niederländischen Kunst. Vgl. dazu Tümpel 2006.

Veröffentlicht am 17.02.2009

Letzte Aktualisierung am 28.03.2009

Abb. 1

Abb. 1

Unbekannt

Museumslandschaft Hessen Kassel, Inv.Nr. Inv. Nr. GS 17096

© Museumslandschaft Hessen Kassel (Foto: Gabriele Bößert, Ute Brunzel, Arno Hensmanns)

Veröffentlicht am 28.03.2009

Letzte Aktualisierung am 28.03.2009

Abb. 2

Abb. 2

Unbekannt

Museumslandschaft Hessen Kassel, Inv.Nr. Inv. Nr. GS 17096

© Museumslandschaft Hessen Kassel (Foto: Gabriele Bößert, Ute Brunzel, Arno Hensmanns)

Veröffentlicht am 24.03.2009

Letzte Aktualisierung am 28.03.2009

Abb. 3

Abb. 3

Unbekannt

Museumslandschaft Hessen Kassel, Inv.Nr. Inv. Nr. GS 17096

© Museumslandschaft Hessen Kassel (Foto: Gabriele Bößert, Ute Brunzel, Arno Hensmanns)

Veröffentlicht am 28.03.2009

Letzte Aktualisierung am 28.03.2009

Abb. 1


Abb. 2


Abb. 3