Alessandro Maganza

(Vicenza 1556 – Vicenza nach 1630)

Gottvater mit zwei Engeln, um 1600

Schwarze Kreide, Feder in Braun auf Papier, 21 x 18,2 cm (am linken und am unteren Blattrand beschnitten)

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17114

Literatur:

unpubliziert

Die Federzeichnung, die aufgrund ihres Stils eindeutig der Maganza-Werkstatt zuzuordnen ist und vermutlich von Alessandro Maganza, dem Oberhaupt der Werkstatt selbst stammt,[1] zeigt Gottvater mit der Weltkugel auf Wolken thronend flankiert von zwei Engeln, die unterhalb von ihm knien und jeweils ein zusammengerolltes Band, vermutlich einen Gürtel, in der Hand tragen. Der rechte Engel hält weiter in seiner erhobenen rechten Hand ostentativ den Himmelsschlüssel empor. Da die Zeichnung am linken und am unteren Bildrand stark beschnitten wurde und sich bislang kein ausgeführtes Werk hat aufweisen lassen, das mit ihr in Verbindung stände, muss sich der Betrachter auf die Indizien verlassen, die das Blatt selbst zur Aufschlüsselung seiner ungewöhnlichen Ikonographie bietet.

Die Inszenierung des Himmelsschlüssels lässt vermuten, dass es sich bei dem Entwurf um den oberen Teil eines Altar- oder Wandbildes handelt, das die Erlösung von Seelen aus dem Fegefeuer thematisierte und damit dem Betrachter unmittelbar die Früchte der vor dem Altar zelebrierten Messfeier vor Augen stellte. Im Zuge der Gegenreformation und der Verteidigung der Lehre vom Fegefeuer auf dem Konzil von Trient 1545 bis 1563 stiftete Papst Gregor XIII. für die Toten privilegierte Altäre, die Ablass gewährten.[2] Für jede Messe, die für einen dieser Altäre gestiftet wurde, sollte nach päpstlichem Versprechen eine Seele aus dem Fegefeuer erlöst werden. Als Schmuck für diesen sich rasch verbreitenden Altartypus boten sich Fegefeuerdarstellungen an. Wie bei dem Altarbild, das Bernardino Baldi (1557 – vor 1615) um 1600 für S. Maria ai Servi in Bologna schuf,[3] zeigen die Darstellungen meistens in einer himmlischen Zone Gottvater begleitet von den einflussreichsten Fürbittern Christus und Maria, darunter den Heiligen, dem der Altar geweiht war, in diesem Fall den hl. Franziskus, sowie Engel, die Seelen aus dem Fegefeuer befreien. Sehr selten werden die Seelen an einem Skapulier oder an einem Gürtel aus dem Fegefeuer gezogen. Neben dem Skapulier der Kapuziner galten auch die Gürtel von Maria und von Franziskus als wundertätig.[4] In dem Kupferstich „Cordone di S. Francesco“, den Agostino Carracci (1557–1602) 1586 anlässlich der Errichtung einer Gürtelbruderschaft des hl. Franziskus durch Papst Sixtus V. schuf, sind in der Himmelszone mehrere Engel dargestellt, die mit Hilfe der Gürtel des hl. Franziskus Seelen aus dem Fegefeuer ziehen.[5]

Die beiden Engel mit den Gürteln in den Händen bei Maganza sprechen dafür, dass auch er dieses Motiv für den unteren Bereich seines Entwurfs geplant hatte. Weiter wird er für die himmlische Zone noch Fürbitter vorgesehen haben sowie den Besitzer des Gürtels, die Muttergottes oder den hl. Franziskus. Maganza, dessen Werkstatt die Kunstproduktion in Vicenza und Umgebung von 1580 bis 1630 dominierte, griff immer wieder gegenreformatorische Themen auf und entwickelte dabei ungewöhnliche ikonographische Lösungen. In diesem Zusammenhang ist auch die leider nur fragmentarisch erhaltene Kasseler Zeichnung zu sehen.

[1] So Bert W. Meijer, Florenz, in einem Schreiben vom 09.06.2006, dem herzlich für seine Auskünfte gedankt sei.

[2] Vgl. auch im Folgenden Göttler 1994; Göttler 1996, S. 116–126.

[3] Göttler 1994, Abb. 108.

[4] So zieht Maria beispielsweise auf einer Matthäus Gundelach zugeschriebenen Zeichnung der Kasseler Graphischen Sammlung an ihrem Gürtel Seelen aus dem Fegefeuer (Inv. Nr. GS 19156; Kat. Kassel 2000, Nr. 3). Vgl. weiter Göttler 1996, S. 116.

[5] Göttler 1994, Abb. 110.

Veröffentlicht am 21.01.2009

Letzte Aktualisierung am 02.02.2009