Giuseppe Marchesi zugeschrieben

(Bologna 1699 – Bologna 1771)

Hl. Familie, um 1730

Schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert, weiß gehöht auf Papier, 43,4 x 27,6 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17358

Literatur:

unpubliziert

Das bislang nicht zugeschriebene, bildmäßig ausgeführte Blatt zeigt im Stil, in der Technik, vom kompositionellen Aufbau sowie vom Figurentypus her weitreichende Übereinstimmungen mit einer Zeichnung des Museum of Fine Arts in Boston[1]. Als Entwurf zu einem Gemälde in einer Privatsammlung[2] kann diese Zeichnung sicher dem Bologneser Maler Giuseppe Marchesi zugewiesen werden. In leicht variierter Zusammensetzung und Anordnung stellen beide Blätter die heilige Familie mit Anna, dem Johannesknaben, Joseph und weiteren Familienmitgliedern im Freien dar. Der Zeichner hat die Protagonisten jeweils auf einigen Stufen um ein Zentrum – in Kassel das Christuskind auf dem Schoß der Mutter, in Boston Maria mit dem stehenden Kind – gruppiert. Die klassische Anordnung der Figuren in der Vordergrundzone in unmittelbarere Gegenüberstellung mit dem Betrachter, ihre kräftigen Körper mit den schweren Gewändern und ihre strenge Statuarik verleihen den beiden Entwürfen Präsenz und Eindringlichkeit und erinnern an den Lehrer Marchesis, Marcantonio Franceschini (1648–1729). Die Komposition wurde jeweils in schwarzer Kreide sorgfältig angelegt, anschließend mit der Feder übergangen, wobei die Konturen kräftig nachgezogen und die Faltenzüge der Gewänder durch feine Parallelschraffuren angelegt wurden. Auffällig ist die Physiognomie der Figuren mit den breiten, fast groben Gesichtszügen sowie ihr ernster Ausdruck.

Während die Zeichnungen von Giuseppe Marchesi bislang nur vereinzelt publiziert sind, hat Renato Roli seit den 70er Jahren dessen malerisches Oeuvre zusammengestellt.[3] Ein Gemälde, dem die Kasseler Zeichnung als Entwurf gedient haben könnte, hat sich darunter bislang nicht nachweisen lassen.

[1] Heilige Familie mit Anna und Johanneskind, schwarze Kreide, Feder in Braun, braun laviert und weiß gehöht, 28,3 x 20 cm, Boston, Museum of Fine Arts, Inv. Nr. 94.94 (Kat. Ottawa 1982, Nr. 101 mit Abb.).

[2] Roli 1990/1991, Abb. 1.

[3] Roli 1971; Roli 1977, S. 103f., 274f.; Roli 1990/1991. Zu den Zeichnungen Marchesis vgl. u. a. Miller 1980, S. 42–44, Taf. 23–24; Kat. Stuttgart 1982, Nr. 75–76; Benati/Brogi/Roli 1991, S. 280–282; Kat. Rouen 2006/2007, Nr. 104.

Veröffentlicht am 19.01.2009

Letzte Aktualisierung am 12.02.2009