Francesco La Marra

(Martina Franca 1728 – Neapel 1787)

Entwurf für eine allegorische Deckenmalerei, um 1750/60

Schwarze Kreide, Rötel, Feder in Braun, grau laviert auf Papier, 24,9 x 23,8 cm

Rückseitig unten rechts Sammlerstempel Lugt 414b

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17082

Literatur:

unpubliziert

Die rasch ausgeführte, oben sowie anden Seiten beschnittene Entwurfsskizze zu einer allegorischen Deckendekoration war ehemals dem einflussreichen neapolitanischen Barockmaler Francesco Solimena (1657–1747) zugeschrieben, der in der Zeit der österreichischen Vizekönige zu Ansehen gelangte und Aufträge aus ganz Mitteleuropa erhielt. Aus stilistischen Gründen hat Chris Fischer, Kopenhagen, das Blatt dagegen dem nach wie vor weitgehend unbekannten Maler und Radierer Francesco La Marra zugewiesen,[1] der bis zur Aufdeckung seiner Lebensdaten durch Joachim Meyer 2001 als Schüler Solimenas galt.[2] Wurde sein Geburtsdatum bislang um 1710 angesetzt, so konnte Meyer archivalisch nachweisen, dass La Marra fast eine Generation später, 1728, in Martina Franca geboren wurde. Erst 1748, ein Jahr nach dem Tod Solimenas, verzog er nach Neapel, wo er sich fortan mit Gelegenheitsaufträgen vor allem für Buchillustrationen und Radierungen, vereinzelt auch für Altarbilder durchgeschlagen zu haben scheint. Seine Versuche, sich als Bühnenmaler zu etablieren oder sich durch die Herausgabe einer Sammlung von Radierungen nach Handzeichnungen von Giordano, Preti und Solimena einen Namen zu machen, scheiterten. Die „Raccolta di cinquanta disegnioriginali“ wurde erst nach seinem Tod von den Buch- und Antiquitätenhändlern Terres herausgegeben, die die Platten aus dem Nachlass des Künstlers zusammen mit vielen seiner Handzeichnungen erwarben.[3] Über die Brüder Terres, die eine bedeutende Zeichnungssammlung besaßen, kamen größere Konvolute seiner Arbeiten nach Kopenhagen und Wien, wo sie bis zu den Forschungen von Walter Vitzthum zum Teil aber anderen Künstlern, wie Giordano oder Solimena, zugeschrieben waren.[4] Die bislang bekannten Zeichnungen von La Marra zeigen eine große stilistische Vielfalt von dem Einfluss der neapolitanischen Malerei des Seicento, vor allem Giordanos, über Solimena bis hin zum Neoklassizismus. Daher erstaunt die alte Zuschreibung der Kasseler Zeichnung an Solimena nicht, zumal für La Marra bislang keine Beschäftigung mit monumentalen Deckendekorationen profanen Inhalts nachweisbar ist.

Die zunächst schwer lesbare Zeichnung, die mit schwarzer Kreide und Rötel angelegt, dann mit der Feder strukturiert und anschließend grau laviert wurde, entfaltet in rasanter Geschwindigkeit eine bewegte himmlische Vision auf dem Papier. Parallel zur unteren Blattkante hat der Zeichner mit wenigen Strichen ein Gebälk angedeutet. Darauf haben sich eine behelmte Frauengestalt mit Schwert, vermutlich eine Personifikation der Fortitudo, sowie ein Hirsch niedergelassen, der eine geflügelte Gestalt begleitet. Möglicherweise handelt es sich um Prudentia, die gelegentlich mit einem Hirsch als Attribut erscheint.[5] Die Waage unterhalb des Hirsches spielt weiter auf Justitia an. Die Tugendallegorien halten einen Vorhang zurück, der ein bekröntes, nicht näher bestimmtes Allianzwappen hinterfängt. In den Wolken darüber tummeln sich diverse Putten und weibliche Gestalten, die inhaltlich nicht zu deuten sind. Geschickt nutzt La Marra die verschiedenen farbigen Stifte sowie die sich verdichtenden oder lockernden Federstriche, um die Dynamik der Szene und die räumliche Staffelung der Wolkenfelder anzudeuten. Dass das Wappen ungefüllt blieb, könnte dafür sprechen, dass er an einem Entwurf für eine Deckendekoration arbeitete, mit dem er sich potentiellen Auftraggebern empfehlen wollte. Einen ähnlichen Aufbau mit einem Wappen in der Mitte, über dem sich in diesem Fall ein Triumph des Herkules entfaltet, zeigt ein Bozzetto von Domenico Mondo (1723–1806), zu dem La Marra nachweislich engeren Kontakt hatte.[6]

[1] Brief vom 01.08.2007. Ich danke Chris Fischer für seine freundlichen Auskünfte.

[2] Zusammenfassung des Forschungsstands zu La Marra bei Meyer 2001/1, S. 169–171; Fischer/Meyer 2006, S.21, 186f.; Perovic 2007.

[3] Arbace 1992; Meyer 2001. Zu den Brüdern Terres: Meyer 2001/1, S. 177–181; Fischer/Meyer 2006, S. 26–28.

[4] Zum Bestand in Kopenhagen: Fischer/Meyer 2006, Nr. 115–150; zum Bestand in Wien: Birke/Kertész 1992–1997, Nr. 1104, 23229–23233, 34177–34201, 34205–34211, 34215. Vitzthum 1965.

[5] Bautz 1999, S. 262, 271.

[6] Der Bozetto befindet sich in Privatbesitz (Kat. Neapel 1979, Nr. 131). Zum Verhältnis von La Marra und Mondo: Meyer 2001/1, S. 171.

Veröffentlicht am 13.12.2010

Letzte Aktualisierung am 19.10.2012