Sebastiano Ricci zugeschrieben

(Belluno vor 1659 – Venedig 1734)

Zweikampf zwischen einem Jungen und einem Riesen mit abgeschlagenen Händen, um 1710

Schwarze Kreide auf Papier, Rahmenleiste in derselben braunen Tinte wie die Bezeichnung, 14,6 x 23,4 cm (obere rechte Ecke abgeschnitten; Rahmenleiste folgt dieser Beschneidung)

Unten rechts mit brauner Feder bez.: B. Rizi; rückseitig unten rechts mit schwarzer Kreide: B Rizi; darunter von anderer Hand mit Graphit: 1816

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17145

Literatur:

unpubliziert

Die bevorzugten Zeichenmaterialien von Sebastiano Ricci waren die Feder und der Pinsel. Die wenigen Kreidezeichnungen, die sich von seiner Hand erhalten haben, sollen vor allem zwischen 1700 und 1720 unter dem Einfluss Alessandro Magnascos (1667–1749) entstanden sein, dessen Werk Ricci 1695 bei einem Aufenthalt in Mailand kennenlernte.[1] Mehrere Blätter in der Accademia in Venedig, wo ein umfangreiches Konvolut an Zeichnungen Riccis aus der Sammlung Zanetti verwahrt wird, gehören zu dieser Werkgruppe, der auch die Kasseler Skizze mit ihrer alten Zuschreibung an den venezianischen Meister zuzurechnen ist.[2] Gemeinsam ist der Gruppe eine ausgeprägte Neigung zu enggeführten Zickzack- und Parallelschraffuren, die lebendig variierte Druckstärke, mit der Ricci die Kreide führte, das Setzen von einzelnen dunklen Akzenten mittels kurzer Striche der Kreide unter starkem Druck sowie das Interesse des Künstlers an ausgeprägten Licht- und Schatteneffekten. Die Kasseler Skizze zeigt dabei besonders große Übereinstimmungen mit Zeichnungen wie der „Enthauptung Johannes d. T.“ in Venedig[3] oder dem „Sturz der Engel“ in Windsor[4], die für diese Gruppe eher spät, also um 1710/20, datiert werden. Allen Blättern gemeinsam ist eine ausgeprägte Neigung zu gewagten Verkürzungen in der Figurendarstellung. So liegt in der Kasseler Skizze ein bärtiger alter Mann mit dem Kopf zum Betrachter niedergestreckt am Boden. Links neben ihm wendet sich ein Junge in bäuerlicher Tracht mit einer Lanze in der Hand zu ihm um. Die Darstellung, die auf den ersten Blick an „David und Goliath“ erinnert, bis der Betrachter wahrnimmt, dass dem Niedergestrecktem die Hände abgeschlagen wurden, konnte bislang nicht identifiziert werden.[5] Auch konnte keine Beziehung zu einem Gemälde Riccis nachgewiesen werden.

[1] Zu Ricci und Magnasco vgl. Chiarini 1975.

[2] Vgl. dazu Kat. Udine 1975, Nr. 8–12. Weitere Blätter dieser Gruppe befinden sich in New York (Kat. New York 1971, Nr. 7); Stockholm (Bjurström 1979, Nr. 212), Udine (Kat. Udine 1975, Nr. 14) oder Windsor Castle (Blunt/Croft-Murray 1957, Nr. 279, Abb. 32, Nr. 358).

[3] Schwarze Kreide, 29 x 20 cm, Venedig, Galleria dell’Accademia (Kat. Udine 1975, Nr. 12).

[4] Schwarze Kreide, 16,7 x 19,1 cm, Windsor Castle, Inv. Nr. 7050 (Blunt/Croft-Murray 1957, Nr. 358).

[5] Das Abschlagen der Hände als Strafe taucht etwa im 2. Buch Samuel 4,1–12 auf. David bestraft die beiden Mörder des Esbaal, indem er ihnen Hände und Füße abschlagen lässt. Das seltene Thema wurde beispielsweise von Luca Giordano dargestellt (Kat. Wien 2001, Nr. 24). Eine ähnliche Strafe soll Caesar vollzogen haben, als Pompeius in Ägypten durch die Gefolgsleute des Ptolemäus der Kopf abgeschlagen wurde.

Veröffentlicht am 11.09.2008

Letzte Aktualisierung am 12.03.2009