Kopie nach Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto

(Venedig 1697 – Venedig 1768)

Ansicht einer Stadt an einem Fluß mit Bischofsgrab, um 1742

Feder in Braun, grau laviert auf Papier, 29,6 x 29,9 cm

Provenienz:

Nachlass Erich Herzog, Kassel

GS 17626

Literatur:

Kat. Kassel 2000, S. 102, Nr. 44 (als Canaletto), Abb. S. 103

Die drei Kasseler Kopien nach Radierungen von Canaletto stehen in engem Zusammenhang mit zwölf Zeichnungen derselben Hand in der Lehman Collection in New York.[1] Bei den ersten fünf Zeichnungen des New Yorker Konvoluts handelt es sich um Kopien nach der Radierungsfolge „Urbis Venetarum Prospectus“ von Antonio Visentini (1688–1782), die zwar erst 1742 vollständig veröffentlicht, deren erste 14 Blätter jedoch bereits 1735 gedruckt wurden. Da die Kopien frühe Radierungen aus der Folge wiedergeben, stellt das Jahr 1735 einen terminus post quem dar. Die anderen sieben Zeichnungen des Konvoluts zeigen wie die Kasseler Blätter Radierungen aus der Folge „Vedute / Altre prese da i Luoghi altre ideate“, die Canaletto für seinen Mäzen und Sammler, den englischen Konsul Joseph Smith, schuf und im Juni 1744 komplett veröffentlichte. Die Radierungen sollen 1740/41 nach einer Reise in die Brenta entstanden sein, die Canaletto in Begleitung seines Neffen und Schülers Bernardo Bellotto (1721–1780) unternahm. James Byam Shaw hat deshalb die New Yorker Zeichnungen Bellotto zugeschrieben, der während seiner Ausbildung bei seinem Onkel häufig dessen Werke kopierte. Dabei sollen die Zeichnungen nach Visentini aufgrund stilistischer Unsicherheiten früher zu datieren sein als diejenigen nach Canaletto.

Vergleicht man die Letztgenannten mit den Radierungen, so fällt zunächst auf, dass der Kopist durchgängig auf Staffagen verzichtete. Während die drei Kasseler Blätter weitestgehend mit den Radierungen übereinstimmen, sind die Abweichungen bei einigen der New Yorker Kopien gravierender. Dort sind zum Teil die Bildausschnitte enger gefasst, bei einem Blatt fehlt der Baum im Vordergrund oder die Architekturen unterscheiden sich im Detail.[2] Dennoch steht außer Zweifel, dass die Zeichnungen nach den Radierungen angefertigt wurden und dass der Kopist auch mit dem zeichnerischen Werk von Canaletto auf vertrautem Fuß gestanden haben muss, denn er versteht sich darauf, die dichte atmosphärische Wirkung der lavierten Federzeichnungen Canalettos nachzuahmen, auch wenn seine Strichführung konventioneller ist. Von daher liegt es nahe, die Folge einem Künstler aus dem unmittelbaren Umfeld des venezianischen Meisters zuzuschreiben. Ob es sich dabei jedoch um Bellotto handelt, müsste anhand der Zeichnungen in seinem Nachlass im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt noch einmal kontrolliert werden.[3]

Der Titel der Radierungsfolge weist bereits darauf hin, dass sie neben topographisch korrekt wiedergegebenen Örtlichkeiten, also Veduten, auch Phantasiestücke umfasst wie das vorliegende Blatt, auf dem ein Bischofsgrab unter einem Baldachin links im Vordergrund mit einem Ausblick auf eine nicht identifizierte Stadt verbunden wird. Die zugrundeliegende Radierung (Bromberg 16; Abb. 1) gehört zu den wenigen Platten, die Canaletto aus unbekannten Gründen geteilt hat. Ergänzt wird sie durch Bromberg 15, die – wie die Zeichnung GS 17080 – das Grab auf der linken Seite fortführt. Während der Reiz der Radierung in der abwechslungsreichen, beständig die Ausrichtung wechselnden Strichführung liegt, hat der Kopist sich in der Art der Federführung kaum an seiner Vorlage orientiert, sondern versucht, deren Wirkung in die andere Technik der lavierten Federzeichnung umzusetzen. Auch hierbei konnte er sich auf eine Gepflogenheit Canalettos berufen, der häufiger von seinen Zeichnungen zwei Varianten ausgeführt hat, eine reine Federzeichnung und eine mit Lavierungen.[4]

[1] New York, Metropolitan Museum of Art, Inv. Nr. 1975.I.299-311 (Shaw/Knox 1987, S. 6–17, Nr. 3–15).

[2] Vgl. etwa Shaw/Knox 1987, Nr. 9 und 14.

[3] Kat. Darmstadt 1981.

[4] Vgl. etwa Kat. Venedig 1982, Nr. 12–13.

Veröffentlicht am 10.09.2008

Letzte Aktualisierung am 29.01.2009

Bromberg 16

Abb. 1

Abb. 1

Giovanni Antonio Canal, gen. Canaletto

Darmstadt, Hessisches Landesmuseum, Inv.Nr. (Bromberg 16)

© Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Foto: Wolfgang Fuhrmannek)

Veröffentlicht am 10.09.2008

Letzte Aktualisierung am 31.03.2009

Bromberg 16

Abb. 1